Parlamentsmitglieder sollten die Präferenzen ihrer Wähler repräsentieren. Während Politiker oft stark von diesem Ideal abweichen, ist bisher weitgehend unbekannt, welche Rolle persönliche Eigenschaften wie etwa das Geschlecht der Politiker spielen. Angesichts der weitverbreiteten Evidenz zu geschlechtsspezifischen Verhaltensunterschieden sowie dem zunehmenden Ruf nach einem höheren Frauenanteil in der Politik ist dies erstaunlich.

Wir analysieren deshalb, wie weibliche und männliche Parlamentsmitglieder die Präferenzen der nationalen Wählermehrheit berücksichtigen. Dafür bietet die Schweiz ideale Daten: Die Volksabstimmungen reflektieren die Präferenzen der Wähler. Wir vergleichen dann  die politischen Entscheidungen weiblicher und männlicher Parlamentsmitglieder zu exakt den gleichen politischen Vorlagen mit identischem Wortlaut. Dies ermöglicht es uns, politische Übereinstimmungen und Abweichungen direkt zu messen.

Ohne Kontrolle der verschiedenen Faktoren orientieren sich weibliche Volksvertreter deutlich weniger an den Präferenzen der Wahlmehrheit als ihre männlichen Kollegen. Sobald aber die Parteizugehörigkeit berücksichtigt wird, weichen Frauen nicht stärker von der Volksmehrheit ab als Männer, sondern vertreten diese sogar eher besser.

Die Abweichung vom Volkswillen hängt in erster Linie von der Parteizugehörigkeit ab. Weibliche Vertreter von Zentrums- und Rechtsparteien berücksichtigen die Präferenzen der Volksmehrheit stärker als Männer der jeweiligen Parteien. Frauen von Linksparteien weichen geringfügig stärker von den Präferenzen der Mehrheit ab als ihre männlichen Kollegen. Diese Ergebnisse haben wichtige Implikationen u.a. für die Sinnhaftigkeit und Ausgestaltung von Frauenquoten.

David Stadelmann, Marco Portmann und Reiner Eichenberger

Literatur:

David Stadelmann, Marco Portmann und Reiner Eichenberger, Politicians and preferences of the voter majority: Does gender matter?  Erscheint demnächst in: Economics & Politics